Einfach ankommen: Vom „Dach der Welt“ zurück nach Wittgenstein

Worte, Weisheiten und Lehren ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Menschheit. Für viele sind sie Leitsprüche, die unser Handeln prägen. Teilweise sind diese Ratgeber jahrhundertealt, doch finden noch immer ihren Weg in unsere Köpfe – weil die Botschaften, die in diesen Sätzen stecken, zeitlos sind.

So hat auch das chinesische Sprichwort „Wenn die Wurzeln tief sind, braucht man den Wind nicht zu fürchten“ die Zeit überdauert. Ein Baum, der sich tief im Erdreich verankert hat, können selbst schwere Stürme nicht erschüttern. Oder, auf uns Menschen bezogen: Wer verwurzelt ist und seinen Platz im Leben gefunden hat, der wird auch in harten Zeiten standhaft bleiben.

Nicht ohne Grund spricht man in diesem Zusammenhang gerne vom „Verwurzelt“ sein. Feste Strukturen, ein bekanntes und vertrautes Umfeld sowie das Gefühl der Zugehörigkeit erschaffen eine Wohlfühloase, die als Ankerpunkt in unserem Leben dient.

Einmal Wittgensteiner, immer Wittgensteiner

Ein Gefühl, dass Familie Schüssler nur allzu gut kennt: „Wir sind beides sehr naturverbundene Menschen. Das Dorfkind wird man aus uns niemals rauskriegen“, lacht Dr. Jan Schüssler, während er neben seiner Frau Tabea am großen Esstisch ihres Hauses in Bad Berleburg sitzt, die den gemeinsamen Sohn Joel auf dem Arm hat.
Es braucht nicht lange, um zu verstehen: Diese Familie hat ihr Glück gefunden.

Dabei war die Vorstellung der beiden Akademiker, die in Raumland respektive Rückershausen geboren wurden, schon seit dem Studium präsent. Der Weg sollte nach der Hochschule gerne zurück nach Bad Berleburg und Wittgenstein führen. „Während meiner Studienzeit habe ich die Wittgenstein-Fahnen immer hochgehalten und von der Heimat geschwärmt. Meine Kommilitonen haben mich für meine Penetranz sogar aufgezogen“, erzählt Jan Schüssler, der nach dem Abitur 2011 seine medizinische Laufbahn einschlug.
So steht zum Beispiel in einem Auszug seiner Examenszeitung, geschrieben von anderen Mitstudenten, auf die Frage, wo seine Zukunft wohl liegen würde, folgendes: „In einer eigenen Praxis in seinem geliebten Bad Berleburg.“
An dieser Stelle können wir vorwegnehmen: Seine Kollegen sollten Recht behalten.

Doch der Reihe nach: Denn vor der Rückkehr zu den eigenen Wurzeln, wartete auf das junge Paar, welches sich 2011 kennenlernte, eine ganze Menge Arbeit. Neben dem Büffeln für das Zahnmedizin-Studium mussten beide auch lange Zeit eine Fernbeziehung aufrechterhalten, da Tabea an der Universität in Gießen eingeschrieben war, Jan hingegen in Halle. Erst später fanden beide dann auch räumlich wieder zueinander, ehe ihr Studium erfolgreich endete. Mit dem Abschluss in der Tasche entschlossen sich die beiden Wittgensteiner schließlich zu einem spektakulären Umweg: Beide bewarben sich für einen Hilfseinsatz in Nepal, wo sie am Fuße des Mt. Everests in Bergdörfern die Zähne der Einheimischen versorgten. „Dort haben wir viel Übung im Zähne ziehen bekommen“, schmunzelt Tabea Schüssler, ehe sie von der einmaligen Erfahrung schwärmt: „Die Landschaft war atemberaubend. Viele Menschen hatten dort noch nie in ihrem Leben einen Zahnarzt zu Gesicht bekommen und daher konnten wir dort wirklich helfen.“

Die Rückkehr und ein Lebenstraum

Mehrere Monate dauerte dieser Hilfseinsatz, ehe es die Schüsslers zurück nach Deutschland verschlug. In Erlangen, nahe Nürnberg, wurden beide zunächst sesshaft, arbeiteten in der mittelfränkischen Großstadt und verbrachten ihre Freizeit in der fränkischen Schweiz. Als sich aber die Möglichkeit auftat, hier in Bad Berleburg eine Praxis zu übernehmen, fackelte das Zahnarzt-Paar nicht lange. Dr. Burkhard Wittenborn suchte händeringend einen Nachfolger – Jan Schüssler hatte 2015 genau dort ein Praktikum absolviert. „Es passte einfach. Die Verbundenheit zu Wittgenstein ist ohnehin nie abgerissen, wir waren einmal im Monat immer auf Heimatbesuch bei unseren Eltern. Außerdem wurde uns im Studium geraten aufs Land zu ziehen, da dort Ärzte gesucht werden“, erinnert sich Dr. Schüssler an den Entscheidungsprozess, wieder nach Bad Berleburg zu ziehen.

Doch nicht nur die berufliche Aussicht machte eine Rückkehr passend, auch die Rahmenbedingungen in Wittgenstein passten perfekt in die Lebensplanung der jungen Ärzte: Ihr erstes Kind war unterwegs.

Zum Aufwachsen ist Wittgenstein ideal

„Gefühlt ist in Wittgenstein immer noch ein bisschen heile Welt. Man hat seine ganzen Verwandten um einen rum, die Stadt und die Region haben sich weiterentwickelt und es wird viel angeboten. Alles ist jetzt für uns fußläufig zu erreichen, für Kinder ist es ideal zum Aufwachsen und alles ist günstiger als in der Großstadt und weniger anonym“, erklärt das Elternpaar, während ihr Söhnchen munter durch das Wohnzimmer krabbelt und sich in Zukunft auf viel Natur und Familiennähe freuen darf.

Das Vorurteil, dass der ländliche Raum langweilig und rückständig wäre, schieben die Schüsslers überdies ins Reich der Fabeln: „Wenn man mal woanders war, lernt man diese Gegend hier nochmal mehr zu schätzen. Unsere auswärtigen Freunde sind regelrecht begeistert von Bad Berleburg. Es ist abwechslungsreich, vielfältig, aber auch ruhig und innovativ. Einfach Heimat.“

So sprechen nur Menschen, die ihr Glück gefunden haben, ihren Platz im Leben, ihre Wohlfühloase. Da ist es egal, welche Stürme noch aufziehen werden – die beiden sind zurück an ihrem Ankerpunkt, wo ihre Wurzel ihnen Sicherheit geben. Zurück in Wittgenstein. Zurück in ihrer Heimat.